Möchte die Witwe angesprochen werden, platziert sie auf dem Grabstein die Gießkanne mit dem Ausguss nach vorne
nach Saša Stanišić
Zwinger 1
Manchmal fürchten wir uns, an den Kreuzwegen unserer Biografien, zu lange gezögert und etwas verpasst zu haben. So geht es auch den vier Freunden, die Mitte der 1990er-Jahre in den Heidelberger Weinbergen sitzen und über ihre Zukunft grübeln. Fatih hat eine bahnbrechende Idee: »Wie super wäre es, wenn es einen Proberaum für das Leben gäbe? Du gehst in den rein und probierst zehn Minuten aus der Zukunft? Wie bei Deichmann, nur nicht mit Schuhen, sondern mit dem Schicksal.«
In Saša Stanišićs Erzählung wird Fatihs Erfindung Wirklichkeit und alle können die »Anprobe der Zukunft« nutzen: Da ist die Reinigungskraft Dilek, die entscheidet, ihr Leben in die eigene Hand zu nehmen. Oder die Witwe Gisel, die sich nach einer neuen Bekanntschaft sehnt und daher die Gießkanne geschickt auf dem Friedhof positioniert.
Nach der Uraufführung »Blaupause« inszeniert Regisseurin Hannah Frauenrath zum zweiten Mal in Heidelberg und widmet sich Stanišićs Stoff über die wundervollen Umwege des Lebens.