Die Radikalisierung Bradley Mannings
von Tim Price
von Tim Price
Deutschsprachige Erstaufführung
Aus dem Englischen von Michael Raab
Im Frühjahr 2010 wurde der Nachrichtenanalyst und US-Soldat Bradley Manning unter dem Verdacht verhaftet, hunderttausende Militär-Dokumente an WikiLeaks weitergegeben zu haben. Das Urteil des Gerichts fiel drei Jahre später und sprach Manning in 20 von 22 Anklagepunkten für schuldig. Seitdem verbüßt Chelsea Manning – kurz nach dem Urteil gab Manning in einer Erklärung bekannt, zukünftig als Frau leben zu wollen – eine 35-jährige Haftstrafe im Militärgefängnis. Das Urteil wurde international als Signal aufgefasst und damit als Drohung gegen andere Whistleblower wie Edward Snowden. Journalisten und Menschenrechtsorganisationen kritisierten, dass ein Strafmaß verhängt wurde, das zehn Jahre länger ist als die Frist, nach der viele dieser geheimen Dokumente ohnehin freigegeben worden wären. Wer war dieser erst 22-jährige Obergefreite, der die Welt in Aufregung versetzte, weil er ein Militärvideo öffentlich machte, auf dem zu sehen ist, wie bei einem US-Hubschrauberangriff im Irak ein Dutzend Zivilisten getötet werden? Der englische Autor Tim Price stellt die Frage nach der Radikalisierung Bradley Mannings. Ein aufsehenerregender Text, der fiktionale Handlung und wahre Geschichte geschickt zu verknüpfen weiß. Auf dem Edinburgh Festival 2013 wurde er mit dem James-Tait-Black-Memorial-Prize ausgezeichnet. In Heidelberg ist er erstmals auf Deutsch zu sehen.
Caro Thum habe den Abend »rasant in Szene gesetzt«, er bleibe eng am Protagonisten und akzentuiere »die innere Logik eines Lebensweges«, schreibt Jürgen Berger in Theater heute (November 2014). Der Autor Tim Price zeige, »dass dokumentarisches Theater die Grenze zur Fiktionalität überschreiten kann, ohne den Gegenstand der Dokumentation zu verraten«.
Die Szene mit dem »Collateral-Murder-Video« gehört für Theresa Schütz zu den stärksten des Abends: »Ein radikal wirkender Moment, der (nicht nur) das deutsch-amerikanische Verhältnis zu den kulturkritischen Wurzeln packt«, schreibt sie in der November-Ausgabe (2014) des Magazins Theater der Zeit.
Eine »überzeugende Arbeit« mit »Tiefgang« bescheinigt Elisabeth Maier in der nachtkritik (04.10.2014) Regisseurin Caro Thum. Sie zeige das Stück im Rahmen von Born with the USA als »dramatischen Ringkampf«, es sei ihr gelungen, den »tragischen Konflikt herauszumeißeln«. Dazu beigetragen hätten auch die »überzeugenden Schauspieler«, aus denen die Rezensentin Martin Wißner (»zeigt die psychischen Zerreißproben mit hoher Intensität«) und Andreas Seifert (»eindringlich interpretiert«) heraushebt.
Dan Eckert berichtet für den Mannheimer Morgen (06.10.2014) von einer »mehr als gelungenen Aufführung« eines Stücks, das »eindrucksvoll« versuche, die Ereignisse um die Verhaftung Mannings »in kaleidoskopisch welchselnden Szenen« auszuleuchten.