Das entscheidende Ende aller Dinge

 

Wissenschaftlicher Beitrag zu »Zusammenstoß«

Der Weltuntergang ist eine Geschichte so alt wie die Menschheit. Das Käte Hamburger Kolleg für Apokalyptische und Postapokalyptische Studien (CAPAS) an der Universität Heidelberg hinterfragt durch das Prisma der Apokalypse die Auswirkungen von Endzeitszenarien auf Gesellschaft, Individuen und Umwelten. Grundlegend steht dabei die Frage, welche Welt untergeht, und damit aus welcher Perspektive ein Weltende beschrieben wird. Das Ende der Welt oder des gesamten Universums in einer kosmischen Katastrophe stellt in den Vorstellungen das entscheidende Ende der Menschheit und möglicherweise aller Dinge dar. Seit Jahrhunderten beschäftigt sich der Mensch bereits mit dieser Möglichkeit, dabei spielen Himmelskörpererscheinungen eine große Rolle in unterschiedlichsten Kulturkreisen. Beispielsweise war die Erscheinung des Halleyschen Kometen im 15. Jahrhundert Teil der Weltuntergangs-Omen der Mexica (ein Volk innerhalb der Nahua-Kultur im heutigen Mexiko), die den Kolonialismus und damit die Zerstörung der präkolonialen Welt erklären. In den Naturwissenschaften und der Luft- und Raumfahrttechnik werden Szenarien der Kollisionen durchgerechnet und Lösungen für die Abwehr des Zusammenpralls mit Asteroiden oder Kometen gesucht. Seit Jahrzehnten bietet die Frage und die Geschichte eines kosmischen Endes auch der Filmindustrie Erzählstoff. Ein zentrales Thema spielt dabei auch immer wieder die Frage, wie und ob die Menschheit ein solches Event verhindern oder durch Neubesiedlung eines anderen Planeten ihre Existenz sicherstellen könnte.

Bereits 1951 stellt das ein zentraler Handlungsstrang im Filmklassiker »When Worlds Collide« dar. Der Film war im Sommer 2023 Teil der öffentlichen Film- und Vortragsreihe »Apocalyptic Cinema«, die jedes Semester als Teil der Wissenschaftskommunikation von CAPAS stattfindet.

CAPAS-Gastwissenschaftler Richard J. Wilman ordnete den Film in einem Kommentar wissenschaftlich ein. In Heidelberg erforschte der Astrophysiker apokalyptische kosmische Bedrohungen und eine post-apokalyptische Zukunft der Menschheit im Weltraum.


Existenzielle Risiken im Weltraum - ein wissenschaftlicher Kommentar zu »Der jüngste Tag« 

Der Science-Fiction-Klassiker »Der jüngste Tag« (orig. »When Worlds Collide«) aus dem Jahr 1951 war eine frühe Leinwandadaption eines Themas, das Hollywood in den folgenden Jahrzehnten immer wieder aufgegriffen hat: die drohende Zerstörung der Erde durch ein unkontrolliertes Himmelsobjekt und die gesellschaftliche Reaktion auf diese Bedrohung. In dem von George Pal produzierten Film, der auf dem gleichnamigen Roman von E. Balmer und P. Wylie aus dem Jahr 1933 basiert, beginnt die Handlung mit der Erkenntnis, dass sich die Erde auf Kollisionskurs mit dem neu entdeckten Stern Bellus befindet und der Einschlag innerhalb eines Jahres erfolgen wird. Ein Astronom trägt den Fall den Vereinten Nationen vor und plädiert vergeblich für den Bau eines »Rettungsschiffs«, das eine ausgewählte Gruppe der Menschheit auf den Bellus-Begleitplaneten Zyra in Sicherheit bringen soll. Da ein einheitliches internationales Vorgehen nicht möglich ist, nehmen private Industrielle das selbst in die Hand und finanzieren den überstürzten Bau eines Raumschiffs. Ein Großteil des Films ist der schwierigen Auswahl der Passagiere gewidmet, inmitten von Szenen wachsender menschlicher Dramatik und Panik, während sich die Zerstörung entfaltet und der Tag des Jüngsten Gerichts naht. Der Film endet mit der sicheren Landung des Raumschiffs auf Zyra und dem Ausstieg der Passagiere und der Besatzung auf dem bewohnbaren Terrain einer hellen neuen Welt. Das Folgebuch »After Worlds Collide« wurde nie verfilmt.

Mehr als 70 Jahre später gibt es für einen Physiker in Bezug auf die Wissenschaft und die Spezialeffekte viel zu bemängeln. Aber als Produkt seiner Zeit - 10 Jahre vor dem ersten bemannten Raumflug und fast 50 Jahre vor der Entdeckung der ersten Exoplaneten - kann man dies verzeihen. Das Vermächtnis des Films liegt in der Darstellung des vielschichtigen und allzu realen menschlichen Dramas, das sich parallel zu der sich entfaltenden Naturkatastrophe abspielt; die menschliche Psychologie und die Fähigkeit der Gesellschaft, auf eine existenzielle Bedrohung kohärent zu reagieren, haben sich trotz aller Fortschritte in unserem wissenschaftlichen Verständnis und unseren technologischen Fähigkeiten wohl kaum verändert.

Was die Wissenschaft betrifft, so liegt der offensichtlichste Mangel des Films in der schieren Unwahrscheinlichkeit einer Kollision der Erde mit einem anderen Stern. In unserer Nachbarschaft in der Milchstraße sind die Entfernungen zwischen den Sternen so groß, dass selbst nahe Sternbegegnungen, geschweige denn Kollisionen, fantastisch selten sind, selbst auf kosmischen Zeitskalen. Beispielsweise wird eine Annäherung zwischen der Sonne und einem anderen Stern bis zum 100-fachen des Abstands zwischen Erde und Sonne - dem Abstand, der erforderlich ist, um Planetenbahnen zu stören - etwa alle 100 Milliarden Jahre erwartet. Das ist ein Mehrfaches des Alters des Universums, so dass es höchst unwahrscheinlich ist, dass dies in den nächsten 1 Milliarde Jahren geschieht, solange die Erde bewohnbar bleibt; entferntere, aber häufigere Sternannäherungen könnten die Erdbahn und das Klima leicht verändern. Die Milchstraße enthält einige hundert Milliarden Sterne, von denen ein beträchtlicher Teil wahrscheinlich bewohnbare Gesteinsplaneten beherbergt (ein Punkt, den der Film im Fall von Bellus und Zyra voraussah), einige in dichteren Umgebungen wie Sternhaufen oder dem galaktischen Zentrum. In der gesamten Galaxis könnten daher zerstörerische stellare Begegnungen - möglicherweise mit lebensfreundlichen Planeten - recht häufig sein.

Was andere kosmische Gefahren angeht, so hat das Leben auf der Erde mehrere Massenaussterben erlebt. So wie in etwa das, welches die Dinosaurier vor 66 Millionen Jahren durch den Einschlag eines 10 Kilometer großen Asteroiden oder Kometen auslöschte. Die sterilisierende Strahlung von Sternen, die in Form von Supernovae oder Gammastrahlenausbrüchen explodieren, könnte einige der anderen Aussterbefälle verursacht haben. In den kommenden Jahrhunderten oder sogar noch zu unseren Lebzeiten könnten wir mit bescheideneren, aber dennoch ernsthaften Bedrohungen konfrontiert werden, z. B. mit der Notwendigkeit, den Einschlag eines kleinen Asteroiden in eine große Stadt zu verhindern, oder mit einer starken Sonneneruption, die wichtige Infrastrukturen zerstört. Oder vielleicht entdecken wir irgendwo im Weltraum intelligentes Leben. In jedem Fall bieten solche Bedrohungen weiterhin reichlich Stoff für dramatische Unterhaltung und Studien über die menschliche Reaktion auf eine drohende Apokalypse, selbst wenn wir uns mit dringlicheren »hausgemachten« - Bedrohungen wie einem Atomkrieg oder dem Klimawandel auseinandersetzen.


Richard J. Wilman ist Professor für Physik an der Universität Durham, UK, und war 2023 Gastwissenschaftler am Käte Hamburger Kolleg für Apokalyptische und Postapokalyptische Studien an der Universität Heidelberg.